Dr. Karl Höhn: Tüftler, Technik-Fan und Unternehmer mit Weitblick

Beim frühesten Kapitel unserer Unternehmensgeschichte spielt der Zufall eine Rolle. 1910 betritt der Chemiker Karl Höhn in Ulm, seiner Heimatstadt, eine kleine Buch- und Steindruckerei, um dort seine Dissertation drucken zu lassen. Offenbar entsprang aus dem Auftrag eine Initialzündung. Noch im gleichen Jahr erwirbt der damals 30-Jährige, sein Erbe einsetzend, den Betrieb, um ihn sofort auf einen steilen Expansionspfad zu führen.

Die „Buchdruckerei Dr. Karl Höhn“ ist bald eine feste Größe, maschinell auf dem modernsten Stand und in der Lage, auch Großkunden zu bedienen. Es entsteht eine Schriftgießerei, ein graphischer Betrieb. Das damals neue Offset-Druckverfahren hält Einzug, und wenig später gehört zur Firma die modernste chemigraphische Anstalt weit und breit.

Wer war dieser Mann mit dem schier untrügerischen Gespür für unternehmerischen Erfolg? Er stammte aus einer Ulmer Brauerei, was vielleicht seine kaufmännische Ader erklären mag, obwohl er dann auf ganz anderem Gebiet unternehmerisch reüssierte. Wenn er heute lebte, dann würde man ihn wohl im zeitgenössischen Jugend-Jargon als „Technik-Freak“ titulieren. Er war fasziniert von der Fliegerei, verehrte den Grafen Zeppelin, liebte und fuhr schnelle Autos, richtete sich privat ein kleines Kino ein. Über allen Hobbies aber stand die Firma, die rasch die Schwelle zum industriellen Unternehmen übersprang.

„Techniker“ gibt Höhn an, als er nach der Reifeprüfung im Juli 1900 in Ulm nach seinem Berufswunsch gefragt wird. Er beginnt ein Studium an der Technischen Hochschule in Stuttgart, wechselt nach einem Jahr jedoch nach München, um dort Chemie zu studieren. 1907 legt er sein Examen ab, heiratet und feiert einen ersten beruflichen Erfolg – als Tüftler.

Seine Erfindung ist eine besonders sparsame, geruchlos brennende Petroleumlampe („Dr. Höhns Spannlampe“). Sie kann, mit einem Aufsatz versehen, zusätzlich als Rasierwasserwärmer Verwendung finden und erweist sich als Verkaufsschlager. Nach diesem Erfolg promoviert Höhn in Tübingen, wo er der erste Student mit eigenem Auto ist. Später, 1927, ist sein 95-PS-Martini aus schweizerischer Produktion, der 125 Sachen schafft, das schnellste in Ulm zugelassene Auto.

In dieser Zeit steht Höhns Unternehmen in voller Blüte. Die Belegschaft erreicht eine Stärke von über 1200 Mitarbeitern, das Spektrum an Geschäftsfeldern ist nochmals breiter geworden. Der graphische Betrieb zählt die Herstellung von Wertpapieren zu seinen Spezialgebieten, was ihn für einen besonderen Auftrag prädestinierte: die Herstellung von Not-Geld, das viele Städte nach dem 1. Weltkrieg ausgaben.

Neben dem eigentlichen Buchdruck spezialisiert sich Höhn auf Farbdruck, Plakate, Werbedrucksachen und Etiketten. Mit der Eröffnung der Biberacher Filiale 1912 kommt eine Geschäftsbücherfabrik hinzu. Der Ausbau der Buchbinderei und der Aufbau einer eigenen Kartonagenfabrikation folgen nach. Letztere wiederum beflügelt als neuen Betriebszweig die Herstellung von Warenverpackungen für die Lebens- und Genussmittelindustrie, für Seifen- und Parfümhersteller, was ja bis heute ein starkes Geschäftsfeld der HÖHN-Gruppe geblieben ist.

Der Zigarettenhersteller Reemtsma vergibt an Höhn einen Großauftrag für Kappenschachteln. Jeden Abend verlassen in den 1920er-Jahren zwei mit etikettierten Zigarettenpackungen vollbeladene Möbelwagen die Stadt in Richtung Hamburg.

Bereits 1917 war Höhn ins Verlagsgeschäft eingestiegen. Nun erscheinen unter den Fittichen des erfolgreichen Unternehmers neben Zeitschriften und Magazinen wie „Die Tierwelt“, „Kunst- und Antiquitäten-Rundschau“ und „Deutsche Briefmarkenzeitung“ auch diverse Tageszeitungen.1927 kommt das erste Heft der bis heute sehr bekannten „Ulmer Bilderchronik“ als Monatszeitschrift auf den Markt. Das Buchprogramm umfasst zu diesem Zeitpunkt im Schwerpunkt stadt- und heimatgeschichtliche Titel, Kinder- und Tierbücher sowie Kunstführer.

Das 1933 erstmals im Verlag Dr. Karl Höhn publizierte Ulmer Adressbuch steht bereits unter den Vorzeichen des an die Macht gelangten Nationalsozialismus. Das Regime duldet keine freie Meinung und macht dem zwar konservativ-national gesinnten, aber gleichfalls dem Regime gegenüber nonkonformen Verleger das Leben immer schwerer. Er ist kein Mensch, der bereit wäre, sich gleichschalten zu lassen. Die bittere Konsequenz sind Beschlagnahmungen, der erzwungene Verkauf der Zeitungsverlage und zuletzt sogar die Aberkennung der Verlegereigenschaft. Einmal wird Höhn sogar kurz inhaftiert.

Er trägt sich zwischenzeitlich daher mit dem Gedanken an eine Flucht ins Ausland. Höhn harrt aus, und er ahnt schon bald nach Kriegsausbruch, dass die Drangsalierungen nicht die einzigen Folgen der nationalsozialistischen Politik für ihn und sein Lebenswerk bleiben werden. Den Untergang des alten Ulm im Bombenkrieg mitsamt der Zerstörung seiner Produktionsstätten (und ihren späteren Wiederaufbau) erlebt er jedoch nicht mehr. Bereits 1942 geht sein Leben zu Ende.